Geschichte des Tziginer Sepps
Tziginer Sepp (Josef Haag) - Korbmacher im Unterland (Maison Rurale de l'Outre Foret)
Im Elsass waren Zigeuner seit dem Mittelalter bekannt. Sie waren oft Opfer von Verfolgung, ein besonders grausames und einprägsames Ereignis fand in der Nähe von Niedersteinbach in den Nord-Vogesen statt. Erzürnte Bauern jagten eine grosse Gruppe von Zigeunern, die sich in den Wald und schliesslich auf eine steilen Felsen flüchteten. Die Bauern entfachten ein grosses Feuer am Fuss des Felsens und alle Zigeuner kamen ums Leben. Der Felsen ist als Zigeuner-Felsen bekannt.
Bei meinen Rad-Touren im Nord-Elsass habe ich oft einen seltsamen Mann gesehen: immer ganz in Schwarz mit seltsamen Kleidern, immer ein Rad schiebend, aber nie fahrend, dazu Weidenkörbe am Rad befestigt und meist auf abgelegenen Feldwegen unterwegs. Meine Freunde aus der Gegend kannten ihn: ein verwirrter Mann, dem man besser nicht zu nah kommt, weil er furchtbar stank. Erst viel später habe ich durch ein kleines Buch seinen Namen und sein Schicksal erfahren.
Sein Name war Joseph Haag (1923-2008). Geboren in Moersch (Deutschland), gestorben in Haguenau. Er wuchs in Oberdorf-Spachbach (Elsass) bei Woerth auf. Sein Vater war ein gewaltätiger Alkoholiker. 1939 verunglückte er mit einem Pferdewagen schwer und starb fast. Bei Beginn des Kriegs wurde er eingezogen und nach Brive-la-Gaillarde (Perigord) versetzt. Es gibt keine Nachrichten von ihm bis zum Sommer 1963. Er wohnte wieder in der Gegend von Diffenbach-Les-Woerth. Während eines Fests in Soultz-Sous-Foret kam es zu einer Schägerei, er erhielt einen Schlag auf den Kopf und er litt danach unter Amnesie (Gedächtnisstörung) bis an sein Lebensende. Danach sieht man ihn öfter auf dem Friedhof vor einer Christus Kreuzigungsfigur, wo er ruft "Komm, komm, steig herab". Im sehr kalten Winter 1972 irrt er durch die Gegend, bekommt manchmal einen Kaffee oder einen Schnaps von den Bauern. Er schläft in verlassenen Schuppen oder Ställen. Eines Morgens findet ihn ein Bauer in einer Ecke seines Stalls, bewusstlos und unbeweglich. Erst nach Stunden wacht er auf und verlangt nach einem Cafe-Schnaps, der ihn etwas wärmt. Zwei Tage bleibt er in diesem Stall, dann verschwindet er wieder. Später findet ihn ein Mann am Wegesrand, steif gefroren und bewusstlos. Er trägt ihn zu sich nach Hause und kümmert sich um ihn, bis er wieder spurlos verschwindet. Schliesslich lässt er sich in der Nähe des Friedhofs von Ober-Kutzenhausen nieder in einem Verschlag. Mitglieder des Gemeinderats besorgen ihm einen alten Lieferwagen, in den er sich zurückziehen kann und vor Regen geschützt ist. Eines Nachts brennt der Wagen ab, Sepp kan sich retten und bezieht einen Schuppen in der Nähe. Die Nachbarn bringen ihm manchmals etwas Essen, das er dankbar annimmt. 1991 wird er bewusstlos auf dem Gehweg in Lobsan gefunden, der Bürgermeister ruft die Sanitäter, die sich aber weigern, den sehr schmutzigen Patienten in ihrem Auto zu transportieren. Der Bürgermeister packt ihn in sein eigenes Auto und fährt in ins Hospital von Wissembourg. Dort wird er versorgt und kann es nach einiger Zeit wieder verlassen. Die Bürger von Kutzenhausen haben seine Unterkunft wohnlicher eingerichtet mit einem Bett und Decken, Sepp zieht wieder ein. Er zieht auch wieder durch die Dörfer und nach kurzer Zeit ist er wieder so schmutzig wie vorher. Die Gemeinde hat einen Unterstützung beantragt und ernährt in davon. Im Winter 1997 ist es wieder sehr kalt, Sepp wird krank und kann seine Hütte nicht mehr verlassen. Wieder kümmert sich der Bürgermeister darum, dass er ins Hospital nach Haguenau kommt. Am 31. März 2008 stribt er dort. Die Gemeinde von Oberkutzenhausen beerdigt ihn in einem schönen Grab mit Grabstein.
Wilfried Berger hat ein Lied über ihn geschrieben:
Was läyt do im Grabe
E kohlschwartzer Mann?
E Velo mi Wide (Weidenzweigen)
Läyt glisch näwez dran.
S'isch e Bruder von dir
S'isch e Bruder von mir.
Ganz bstimmt unserm Herrgott sin Kind.
Er will in ken Hüs
Er isch liewer drüs
Er schloft uf de Glut
De Rotwin macht gut.
S'isch e Bruder...
Er will nit viel heere
Er dut nit garn steere (stören)
Er red küm e Wort
Doch schigne nit fort.
S'isch e Bruder...
Un isch er mol doot
Vorbie all sini Not.
Dann red er im Traam
Dich ganz lieslich an:
Was du mir hesch gann
Des hesch du ihm gann.
Unserem Heiland, im Herrgot sin Kind.
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